1.3. Aufbau und methodisches Vorgehen

Die Arbeit gliedert sich in vier Schwerpunktbereiche (vgl. den Überblick in Abb. 1):

1.    Im Kapitel 2 wird ein konsistenter Selbstorganisationsansatz auf der Basis der Synergetik entwickelt.

2.    Das Kapitel 3 widmet sich der Darstellung des synerge­tischen Ansatzes auf der Ebene der sozialen Systeme. Eine besondere Berücksichtigung findet die Problematik der Übertragung des aus der Naturwissenschaft stammenden Konzeptes auf soziale Systeme.

3.    Das Kapitel 4 präzisiert unter Zuhilfenahme betriebswirtschaftlicher Theorien die Aus­sagen für Unternehmen. Eine Synthese von organisationalen Wandel und der Theorie der Syner­getik wird hier vorgenommen. Dabei finden insbesondere die Möglichkeiten und Grenzen für ein Einwirken des Managements auf den synergetisch-organisationalen Wandel Berücksichtigung.

4.  Die Ergebnisse der vorhergehenden Kapitel werden in Kapitel 5 auf die ökologische Orientierung von Unternehmen angewandt und insbesondere auch für die Möglichkeiten einer ökologischen Unternehmensführung herangezogen.

zu 1.  Nach dem Einführungskapitel werden im 2. Kapitel die unterschiedlichen naturwissenschaftlichen Theorien der Selbstorganisation skizziert. Innerhalb der relativ kurzen Entwicklungsgeschichte der Selbstorganisationstheorien deutet sich innerhalb des Paradigmas „Selbstorganisation“ eine Konvergenz unterschiedlicher theoretischer Stränge zu einer Theorie der nichtlinearen Dynamik bzw. Theorie der Selbstorganisation (Synergetik) an (vgl. 2.2.2. der Arbeit). Daneben finden sich aber auch unterschiedliche theoretische Vorstellungen wie etwa die autopoietischen An­schauungen wieder (vgl. 2.1.5. der Arbeit).

H. Haken ist nicht nur Begründer der naturwissenschaftlichen Lasertheorie, sondern hat über eine verallgemeinernde Darstellung eine in sich geschlossene, formalwissenschaftliche Selbstorganisationstheorie eruiert. Sie ist in der Lage, ein umfassendes Theoriegebäude anzubieten, mit dessen Hilfe eine Integration der unterschiedlichsten Phänomene gelingt. Die Synergetik stellt die Entstehung, Aufrechterhaltung und Veränderung von Ordnungen dar. Das Erkenntnisobjekt liegt weniger in der Darstellung der komplexen Systeme selbst, sondern in der Modellierung der Prozesse der Veränderungen. Damit gelingt im Gegensatz zu anderen Selbstorganisationstheorien nicht nur eine Thematisierung von Veränderungen über den Gebrauch von Worthülsen wie „Entwicklung“ oder „Evolution“, sondern sie erlaubt durch das Zusammenführen von Mikro- und Makroebenen sowie dem Zusammenspiel von Stabilitäts- und Instabilitätsbetrachtungen eine detailliertere Darstellung der einzelnen prozessualen Sequenzen von komple­xen nichtlinearen Systemen. In Kapitel 2 wird der synergetische Ansatz anhand einzelner, für den Sozialwissenschaftler nachvollziehbarer Dimensionen dargestellt. Die Dimensionen Selbstabilisierung (vgl. 2.3.2. der Arbeit), Stabilität und Instabilität (vgl. 2.3.3. der Arbeit), Mikro- Makroebenen(vgl. 2.3.4), den Prozeß der Entstehung von Ordnung (4-Phasen-Prozeß [1] ) (2.3.5. der Arbeit), Regelung (vgl. 2.3.7. der Arbeit) und Entwicklung (vgl. 2.3.6. der Arbeit) werden als synergetische Charakteristika ausgearbeitet. Sie dienen in den nachfolgenden Kapiteln als Orien­tierungshilfe für die Ausführungen über Prozesse in sozialen bzw. betriebswirtschaftlichen Syste­men (vgl. 3., 4. der Arbeit).

zu 2.  In Kapitel 3 werden die in Kapitel 2 formulierten Vorstellungen über die formalwissenschaftli­chen Inhalte der Metatheorie bzw. „Allgemeinen Systemtheorie Synergetik“ auf soziale Systeme bzw. auf Unternehmen übertragen. [2]

Eine hieran anschließende Übertragungsproblematik wird in Kapitel 3.1. kritisch diskutiert. Dabei wird die Notwendigkeit erkannt, daß es für eine Anwendung der synergetischen Vorstellungen auf der sozialwissenschaftlichen Ebene einer Spezifi­zierung der allgemeinen Aussagen für soziale Systeme bedarf. Neben systemtheoretischen Besonderheiten von sozialen Systemen (vgl. 3.3.2.1. der Arbeit) werden menschliche Spezifika berücksichtigt (vgl. 3.3.2.2. und 3.3.2.3. der Arbeit).

Mit Rückgriff auf soziologische Arbeiten wie etwa die Theo­rien von Bühl (1990), Hejl (1992), Krohn (1992), Brunner (1990), Tschacher (1991), Hörz (1993), Schiepek (1994), Weise (1994) etc. wird ein synergetisch-evolutionärer Entwurf für soziale Systeme angegangen (vgl. 3.4. der Arbeit). [3] Dabei wird insbesondere auf die selbstorganisatorischen Überlegungen im Rahmen des Radikalen Konstruktivismus eingegangen.

zu 3.  Das Kapitel 4 schließt an die eher allgemein gehaltenen sozialwissenschaftlichen Erkenntnisse an, in denen die Unternehmen mit den betriebswirtschaftlichen Fragestellungen im Mittelpunkt stehen. Dazu ist es sinnvoll, aktuelle betriebswirtschaftliche Literatur mit Beziehung zu (1) Selbstorganisationstheorien und (2) Konzepten des organisationalen Wandels aufzuarbeiten. Dabei ergibt bereits die Durchsicht der Literatur deutliche Abgrenzungen gegenüber einer synergetischen Sichtweise:

(1)   Der Begriff der Selbstorganisation findet sich in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur in unterschiedlichen Kontexten, wie etwa in dem St. Galler Ansatz (vgl. 4.1.1. und 4.1.3. der Arbeit). Viel­fach wird Selbstorganisation in der Literatur - oftmals allerdings in eher willkürlichen Verwen­dung - ohne nähere Definition ganz im Sinne der Gegenüberstellung von Fremd- und Selbstorganisation als ein Prozeß verstanden, der sich der bewußten Gestaltung durch das Management ent­zieht. Damit erhält der Begriff der Selbstorganisa­tion den Charakter einer Residualgröße, die nicht gestaltet bzw. geregelt wird und die auch prinzi­piell nur in einem begrenzten Maße gestaltet und geregelt werden kann.

Die vorliegende Arbeit trennt sich von einem derartigen Verständnis von Selbstorganisation. Ohne hier das Selbstorganisationskonzept im Sinne der Synergetik schon im Einzelnen vorstellen zu können, wird Selbstorganisation eben nicht in Abgrenzung zur Fremdorganisation verstanden, sondern sämtliche Regelungs- und Gestaltungsaktivitäten des Managements sowie sämtliche Pro­zesse sind Ausdruck der unternehmerischen Selbstorganisation. Das Management verfügt zwar weiterhin über die Möglichkeit des Lenkens und Gestaltens, aber es wird nur bedingt das ursprünglich beabsichtigte Ergebnis erreichen (vgl. 4.4. der Arbeit).

(2)   Konzepte des organisationalen Wandels wie das Konzept des Organisationalen Lernens (vgl. 4.2.1.2. der Arbeit), ausgesuchte Ansätze zur Organisationsentwicklung (vgl. 4.2.1.1. der Arbeit), der Konsistenzansatz (vgl. 4.2.3.1. der Arbeit) und ein kognitiv-interpretativer Ansatz (vgl. 4.2.3.2. der Arbeit) werden in ausgewählten Bereichen aufgearbeitet. In neueren wirtschaftswissenschaftlichen Ansätzen hat nicht zuletzt dank der Er­kenntnis, daß eine komplexe und dynamische Umwelt auch interne Fähigkeiten zu Veränderungen nötig macht, zu einer verstärkten Hinwendung zu prozessualen Vorstellungen geführt. So sind die Vorstellungen zum Lean Management, Business Reorganisation, Continous Improvement, Projekt- oder Prozeßmanagement in den letzten Jahren fokussiert in den Management- und Organisationstheorien behandelt worden.

Übersicht über das methodische Vorgehen

Abb. 1: Übersicht über das methodische Vorgehen

Die Synergetik als eine Theorie der Entstehung, Aufrechterhaltung und Veränderung von Ord­nung beleuchtet die Vorgänge im Zeitablauf bzw. stellt eine Theorie des Wandels zur Verfügung, die es für konkrete Betrachtungen zu spezifizieren gilt.

In 4.3. der Arbeit wird mit einem synergetisch-organisationalen Wandel eine Synthese zwischen Theorien zur Selbstorganisation und der Theorie des Wandels erarbeitet. Für eine Synthese von Selbstorganisation und Wandel drängt sich die Verwendung der Synergetik geradezu auf, da innerhalb der Synergetik die Prozesse als Ausfluß des selbstorganisatorischen Charakters von nichtlinearen und komplexen Systemen dargestellt werden.

Die synergetisch-organisationale Theorie des Wandels (vgl. 4.3. der Arbeit) für Unternehmen wird anhand der in Kapi­tel 2 bzw. Kapitel 3 herausgearbeiteten synergetischen Charakteristika im einzelnen dargestellt. Die unterschiedlichen betriebswirtschaftlichen Theorien lassen sich vor der synergetisch-organisationalen Betrachtungsweise als Bestandteile einer umfassenderen Theorie einordnen, ohne daß sie jedoch ihre jeweilige Bedeutung verlieren. Nicht die Widerlegung der organisationalen Wandeltheorien gelingt mit der Selbstorganisationstheorie, vielmehr stellt der synergetisch-organisationale Wandel ein umfassenderes Theoriegebäude zur Verfügung, innerhalb dessen sich einzelne Partialtheorien zuordnen lassen.

Allerdings erlaubt die synergetische Wandelvorstellung ein neues Verständnis der betrieblich ablaufenden Prozesse, mit der Folge, daß die Veränderungen innerhalb eines komplexen und nichtlinearen Systems Unternehmen (vgl. 4.3. der Arbeit) neu verstanden werden können.

Das Wissen um das allgemeine prinzipielle Muster der Veränderungen macht es auch möglich, daß dem Management Handlungsempfehlungen gereicht werden können. Es handelt sich um prinzipielle Empfehlungen mit hohem Abstraktionsgehalt. Denn es ist gerade ein Charakteristikum von nichtlinearen und komplexen Systemen, das Veränderungen eben nicht vor­hersehbar, die Entwicklung nicht deterministisch abläuft, sondern bereits kleine Änderungen zu plötzlichen und weitreichenden Folgewirkungen führen können (vgl. auch 4.3.4.2.2. der Arbeit).[4] Deshalb ist ein mechanistischer Ablauf der Veränderun­gen bzw. ein fertiges Instrumentenset, das nur noch in der richtigen Situation Anwendung findet, mit dem Selbstorganisationsansatz nicht vereinbar.

zu 4.  In Kapitel 5 werden die in Kapitel 4 vorgestellten Ausführungen zu einem synergetischen Wandel von Unternehmen am Beispiel der aktuellen Diskussion über eine ökologische Unternehmensführung angewendet.

In der Betriebswirtschaft finden sich unterschiedliche Vorstellungen darüber, inwiefern eine öko­logische Ausrichtung des Unternehmens möglich ist. Dabei lassen sich zum einen Vorstellungen zusammenfassen, die eine ökologische Orientierung im Rahmen des klassisch-betriebswirtschaftlichen Paradigmas angesiedelt sehen. Dazu gehören der Kosten- und Produktionsansatz, das ökologieorientierte Marketing, das Öko-Management als ganzheitliche strategische Unternehmensführung oder auch die systemtheoretisch-evolutionären Ansätze (vgl. 5.2.3. der Arbeit).

Dem steht die Meinung gegenüber, daß die bestehende Wirtschaftsweise sowie die unternehmeri­sche Gestaltung und Regelung der Prozesse letztlich zu genau dem heutigen bedenklichen Zu­stand der Natur geführt hat. Für eine nachhaltige Verbesserung des ökologischen gesellschaftli­chen Umweltzustands bedarf es vielmehr alternativer Ansätze innerhalb eines neuen Paradigmas (vgl. 5.2.3. der Arbeit). Während das Anspruchsgruppenmodell noch eine weitgehende Verbreitung gefunden hat, werden der ethisch-normative Ansatz sowie Gedanken in Richtung eines sozial-ökologischen Ansatzes (vgl. 5.2.3. der Arbeit) stark in Frage gestellt.

Der Ansatz eines synergetischen Wandels für eine ökologische Orientierung von Unternehmen kann nur schwer in diese Klassifizierung eingeteilt werden, da hier zwar der klassische betriebswirt­schaftliche Rahmen verlassen wird, andererseits es sich aber um eine dynamische Betrachtung eines ökologischen Wandels von komplexen und nichtlinearen Systemen handelt (vgl. 5.2.5. der Ar­beit). Die synergetisch-ökologische Sichtweise stellt einen dynamischen Ansatz des organisationalen Wandels von komplexen und dynamischen Systemen dar, der davon ausgeht, daß Ökologieorientierung bzw. ökologische Unternehmensführung als ein Prozeß der Veränderung beschrieben werden sollte (vgl. 5.2.5. der Arbeit).

Der synergetisch-ökologische Wandel wird anhand der Charakteristika der Synergetik über die Dimensionen 1. Selbstabilisierung (vgl. 5.3.1. der Arbeit), 2. Stabilität und Instabilität (vgl. 5.3.2. der Arbeit), 3. der Mikro- und Makroebenenverschränkung (vgl. 5.3.3. der Arbeit), oder 4. dem „4-Phasen-Prozeß“ (vgl. 5.4. der Arbeit) detailliert behandelt.

Eine synergetische Betrachtung des ökologischen Wandels geht über die Beschreibung der Prozesse hinaus. Das Wissen der prinzipiellen Muster der Nutzung von ökologischen Funktionen macht eine Einflußnahme durch das Management mög­lich (vgl. 5.4. der Arbeit). Zwar handelt es sich hier im Rahmen der nichtlinearen Dynamik um Prozesse, die nicht prognostizierbar sind und denen somit auch nicht mit standardisierten Maßnahmen beizukommen ist. Dennoch lassen sich einige grundlegende phasenorientierte Aussage darüber gewinnen, inwiefern innerhalb des Prozesses bestimmte Impulse gesetzt werden können (vgl. 5.4.1.1., 5.4.1.2., 5.4.2. der Arbeit).

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[1]      Die Veränderungsprozesse werden im hier verfolgten Ansatz in vier Phasen aufgeteilt. Der entsprechend benannte „Vier-Phasen-Prozeß“ stellt eine Heuristik dar, mit deren Hilfe die schwer zugänglichen Prozesse wesentlich überschaubarer werden. Letztlich handelt es sich aber hier nicht um voneinander abtrennbare Phasen, sondern um einen Prozeß der Veränderung (vgl. dazu 2.3.5., 3.5. und 4.3.4. der Arbeit).

[2]      Das dritte Kapitel basierte auf dem sozialwissenschaflich-systemtheoretischen Gedankengut, wie es in den Arbeiten über die Allgemeine Systemtheorie bzw. Selbstorganisationstheorie von B.-O Küppers 1990; Riedl 1990; Wuketits 1990; S.J. Schmidt 1994a, 1994b, 1994c; Krohn 1991, 1992; Günther Küppers 1992, 1994; Hejl 1992, 1994; Schwelger 1992; An der Heiden 1992; Bühl 1990; Luhmann 1988, 1990; N. Schmidt 1991 etc. zu finden ist.

[3]      Obwohl die hier verwendete Form der Übertragung durch Erkennen und Darstellen von Mustern durchaus kritisch gesehen werden kann, so kann doch festgehalten werden, daß im Einklang mit den bereits vorhandenen Ansätzen auch für das Management eine Heu­ristik für die Gestaltung und Entwicklung von sozialen Systemen Anwendung finden kann. Dieses mittels der Heuristik formulierte ganzheitliche Managementmodell ist den bisherigen verkürzten linearen Darstellungen mindestens insofern überlegen, als es den Blick aus einer neuen Perspektive auf bisher so noch nicht wahrgenommene Prozesse lenkt.

[4]      Vgl. hierzu die Ausführungen über die chaostheoretischen Ansätze in 2.1.5.3. und 4.1.1. der Arbeit.


Kontakt: n_niemeier@web.de letzte Änderung: 30.09.2001